Dienstag, 26. Oktober 2021 · 19.00 Uhr
Dževad Karahasan ist 39 Jahre alt und Dozent für Dramaturgie an der Universität Sarajewo, als bosnische Serben und die jugoslawische Volksarmee in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1992 die bosnische Hauptstadt beschießen. Kurz zuvor hatte sich auch der Staat Bosnien und Herzegowina für unabhängig von Jugoslawien erklärt. Es folgte die mit 1.425 Tagen längste Belagerung des 20. Jahrhunderts. Dževad Karahasan ist einer der Eingeschlossenen. In kurzen, unvergesslichen Szenen beschreibt er in seinem „Tagebuch der Übersiedlung“ das Leben im belagerten Sarajevo. Einen Mann, der aus der Warteschlange tritt, sich auf ein Mäuerchen setzt und stirbt. Die Evakuierung der jüdischen Gemeinde. Das absurde Gespräch mit einem französischen Korrespondenten über Hunger und Kälte. 1993 gelingt Karahasan die Flucht nach Österreich. Sein beeindruckender Text von 1993 wurde jetzt im Suhrkamp Verlag neu übersetzt und ergänzt. Ein zutiefst humanes Dokument.
Der 1953 in Duvno in Jugoslawien geborene Erzähler, Dramatiker und Essayist gilt als der bedeutendste bosnische Autor der Gegenwart und als Erzähler von europäischem Rang. Er wurde mit zahlreichen internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung und mit dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt. Zuletzt erschienen von Dževad Karahasan der Essayband „Der Schatten der Städte“, der Roman „Der Trost des Nachthimmels“ und der Geschichtenband „Ein Haus für die Müden“.